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Von: Stefan Meretz 29.04.2001 15:03

Workshop Produktivkraftentwicklung

Teil der Oekonux-Konferenz sind auch ausgesprochen theoretische Diskussionen. So war am Sonnabend das Thema der Produktivkraftentwicklung fällig. Es entwickelte sich ein innermarxistischer Dialog der nachahmenswerten Art.

Eingeladen waren drei Referenten, die kurz ihre Positionen zu diesem komplexen Thema darstellten. Helmut Dunkhase, Lehrer aus Berlin, bezog sich auf die Marxsche Darstellung der großen Industrie und hob hervor, dass man im damaligen "Transmissionsmechanismus" heute die Keimform des Computers wiederfindet.

Wolf Göhring, GMD-Mitarbeiter aus St. Augustin, konzentrierte sich auf die Frage wie denn in einer freien Gesellschaft jenseits von Markt und Geld "die Brötchen auf den Tisch" kommen. Er schlug vor, die isolierte Produktion im Kapitalismus, bei der erst im Nachhinein der Markt zeigt, ob diese auch "erfolgreich" (=Verticken der Waren) war, durch einen Tausch von Tätigkeiten zu ersetzen. Damit meinte er nicht etwa "Dienstleistungen", sondern eine kommunikative Verabredung über den Zweck der Produktion, bevor sie stattfindet.

Norbert Trenkle, Mitherausgeber der Zeitschrift "Krisis" aus Nürnberg, bezog in der Runde gegen die "geschichtsoptimistische Sicht" eine deutliche Antiposition. Er verwies darauf, dass Produktivkraftentwicklung im Kapitalismus vor allem Entwicklung deformierter und destruktiver Potenzen bedeutet, an denen man nicht umstandslos ansetzen können. Vielmehr sei zunächst eine radikale Kritik angebracht, die nicht zuletzt die "Subjektformen" im Kapitalismus einschliesse - damit auch sich selbst.

In der Diskussion ging es zuerst um die Frage, ob oder inwieweit man überhaupt von einem "historischen Materialismus" als einer notwendigen Abfolge von Epochen ausgehen könne. Hier reichte die Spanne der Meinungen von "ja, streng deterministische, gesetzmäßige Abfolge" über "na ja, mit widersprüchlichen dialektischen Entwicklungsschritten" bis zur völligen Zurückweisung einer "evolutionistischen Geschichtsbetrachtung".

Besonders fruchtbar war dann der zweite Teil der Diskussion, in der mit großer Ernsthaftigkeit gemeinsam überlegt wurde, welche Formen der gesellschaftlichen Produktion es geben könne, die sowohl die von Trenkle betonte "Produktivkraftkritik" als auch die Entwicklung neuer Ansätze jenseits von Tausch, Geld und MArkt einschliesst. Leider fiel keinem in der Runde das existierende Beispiel der Freien Software ein - und das auf dem OekoNUX-Kongress - hm.

Bemerkenswert war, dass die Runde in der Lage war - bei Akzeptanz und Respekt unterschiedlicher Grundpositionen -, völlig konträre theoretische Ansichten in einer gemeinsamen Diskussion zu erwägen und auf ihre Stichhaltigkeit abzuklopfen. Ein Verbuddeln in Schützengräben fand nicht statt - das ist doch auch schon mal was.

- eMail: stefan@meretz.de
Homepage: http://www.kritische-informatik.de

 

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Neo Marxisten 29.04.2001 17:15

Echt Revolutionäre Thesen, und die laufen noch Frei herum, und den Bericht haben sie auch noch nicht indiziert.
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