wer_ist_wer@oxkonferenz
Name / Ort: Ursula Holtgrewe, Duisburg
E-Mail: holtgrewe@addcom.de 
Zur Person: Kurz zu mir: ich bin Organisations-und Arbeitssoziologin und arbeite zu Organisation und Subjektivitaet. In dem Zusammenhang interessiert mich Open Source gewissermassen als Grenz- und Kontrastfall von Technikentwicklung jenseits von Arbeit und Wirtschaftsorganisationen im herkoemmlichen Sinne. Daraus soll ein kleines Forschungsprojekt werden.

Hier haengt ein Papier dran, das ich dazu als Tagungsbeitrag auf dem Soziologiekongress 2000 gehalten habe. 
Links: http://soziologie.uni-duisburg/PERSONEN/holtgrewe/uh-dgs-2k.pdf
Workshop : Open Source - und nun? 
Zusammen mit: H. J. Krysmanski
Werner Winzerling
Datum/Zeit: 29.4. / 15:00
Abstract: H. J. Krysmanski: Cyber-Cooperatives. Zur Soziologie des Aus-, Ein-, Um- und Versteigens

Es gibt vielfältige Formen des Ausstiegs und unterschiedliche Stufender Renitenz und Resistenz unter den 'Kommunikationsfähigen'. Sie alle haben etwasmit Selbstorganisation zu tun, aber Selbstorganisation schützt nicht vor Naivität und Versteigen. Deshalb möchte ich zunächst beispielhaft auf Entwicklungen verweisen, die etwa aus den Leuten von The WELL Unternehmensberater (Global Business Network), aus Art Directors lutherische Protestler (The Cluetrain Manifesto), aus Künstlern effektive Konzernbekämpfer (Rtmark)oder aus einer kleinen newsgroup ein wirksames demokratisches Forum (slashdot.org)gemacht haben.

Einige nützliche Hintergrundmaterialien zu meinem Beitrag finden sich auf einer Website, die ich für einen Vortrag an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin gemacht habe ('Kreative Gemeinschaften im Cyberspace').

Der Begriff Genossenschaft impliziert vor allem und zuallererst Zeitsouveränität und eine offene Praxis. Oder anders gesagt:Genossenschaft impliziert Zeit-Haben als Grundstruktur von Subjektivität (Prauss, Heinrichs) und damit als Grundstruktur von Kollektivität. Doch seit der Arbeiterbewegung wissen wir außerdem, daß das Thema der Zeitsouveränität sich nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der Arbeitszeit stellt.

Die kybernetisch-algorithmischen Produktionsmittel verlangen - ob sie in der Arbeits-Zeit oder in der Frei-Zeit auftreten - auf jeden Fall die entwickelte, hochindividualisierte Arbeitskraft in kooperativer, gemeinschaftlicher, genossenschaftlicher Gestalt - nur eben: das eine Mal in der Microsoft-Variante, das andere Mal in der Linux-Variante...

Und bei der Linux-Variante übt das eine Bein des Arbeitskraftbesitzers schon einmal den Ausstieg, den Ausstieg aus der kapitalistischen Produktionssphäre und aus der postmodernen Simulationskultur. Dafür gibt es, jetzt schon, verschiedene Möglichkeiten:
  • die Stufe des individuellen Ausstiegs in die spontane Freizeit-Kollektivität (Jobben plus freie Kreativität)
  • die Stufe der alternativen systemischen Kooperation (open theory, open fun...)
  • die Stufe der Ankoppelung an nicht-monopolistische Wirtschaftsformen ('Pop-Wirtschaft', italienische Genossenschaften...)
  • die Stufe der Assoziation freier Produzenten zwecks Produktion freier Assoziationen (Wallerstein)
  • die Stufe der Assoziation freier kybernetischer Produzenten zwecks Produktion freier algorithmischer Assoziationen (Rtmark etc.)
  • usw.
Zugleich entsteht hier eine praktische Kontroverse. Ist der Ausstieg aus dem Verwertungsprozess Voraussetzung für die 'Befreiung' ode rist der Verwertungsprozess auf seiner jetzigen Stufe nicht selbst schon das Milieu für Assoziationsformen freier Produzenten? Man bedenke:
  • Produktionsmittel und Arbeitskräfte werden 'identisch'
  • Arbeitszeit und Freizeit werden 'identisch'
  • die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit ist bereits radikal abgesenkt
  • die herrschaftlich eingeforderte Dienstleistungszeit steigt drastisch an und provoziert Renitenz (The Cluetrain Manifesto?)
  • die verdinglichten Sozialbeziehungen werden durch die Simulationskultur hypertrophiert und provozieren Resistenz in der Simulationskultur selbst (The Matrix?)
In dem Augenblick, in dem die Arbeits-Zeit die Frei-Zeit fressen will, kann auch die Frei-Zeit ihr Maul aufsperren - und immer wieder einmal und immer öfter wird sich der Freßakt dann umkehren - als materielle Kritik, als materieller Widerstand und damit als nicht eingegrenzte Entwicklung und Entfaltung... Mein Eindruck ist, daß die beiden Alternativen so dicht aneinander gerückt sind, daß nur der Praxistest weiterführt...

In meinem Beitrag möchte ich aus soziologischer Sicht einige Varianten des Aus(usw.)-Steigens untersuchen. Dabei handelt es sich, so wie die Dinge jetzt stehen (das kann sich aber noch ändern), um folgende Punkte und Beispiele:
  • Anmerkungen zum Mönchswesen (das mönchische Prinzip wurde zu einem ungeheuren ökonomischen Erfolg als Raubritter, i.e. die Templer, es - im Rahmen der Kreuzzüge - ergriffen...)
  • mit Aplomb Aussteigen, um weiter oben wieder einzusteigen? Zur 'California ideology', dem digitalen Adel und den Verlockungen des Reichtums (vgl. Global Business Network)
  • Macht und Herrschaft im Virtualisierungsprozess (z.B. Tim Luke's Online Papers)
  • ethnographische Studien zum Leben und Arbeiten in Silicon-Valley (z.B. The Silicon Valley Cultures Project)
  • die virtuelle Gemeinschaft slashdot.org, die im Mittelpunkt des neuen Buchs von Steven Johnson ('Emergence') steht
  • usw.
Ursula Holtgrewe: Open Source - soziale Bewegung, professionelle Community oder ausgesourcte Technikentwicklung?

Es geht um die Frage, wie weit und unter welchen Bedingungen Open-Source einerseits als Arbeits- und Kooperationsweise in der Tat Alternativen zur kapitalistischen Produktion und ihren Institutionen darstellt und entwickelt waehrend aber die Projekte sich in einer kapitalistischen Umwelt zu positionieren und (auch) deren Erwartungen zu erfuellen haben. Meine These ist, dasss es hier kein Entweder/oder gibt, weil einerseits der Erfolg der Projekte auch die sozialen Innovationen darum herum (Copyleft, geistiges Eigentum, Kooperation) gesellschaftlich auf die Tagesordnung gesetzt hat, andererseits spaetestens am Punkt der Verbreitung ueber die EntwicklerInnencommunities hinaus (Linux) oder am Punkt der Hardware Kooperationen mit Unternehmen notwendig sind und Open-Source zum Bestandteil von deren Strategien wird.

Werner Winzerling: LINUX - Durchbruch für die Open Source Entwicklung?

Ich untersuche hier die Frage, was LINUX für die Computerindustrie (IBM, SAP, INTEL ...) so interessant macht. Dabei komme ich aber zu Schlussfolgerungen, die die allgemeine Auffassung
"LINUX: Der Durchbruch für Open Source Entwicklungen !"
nicht stützen kann.
(Ganz abgesehen davon relativieren sich bei genauerer Betrachtung auch die oft zitierten technischen Vorteile von LINUX.)
Es stellt sich also die Frage, wofür die Computerindustrie LINUX wirklich braucht. Auch darauf will ich in meinem Vortrag eingehen.