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Workshop : Informationsgesellschaft 
Rubrik Politik 
Tag/Beginn/Raum: 29.4. / 18:00 / Raum C
ReferentIn(nen): Ralf Krämer, Dortmund
Sabine Nuss, Berlin
Michael Heinrich, Berlin
Hans-Gert Gräbe, Leipzig
Abstract: Ralf Krämer: Zur Politischen Ökonomie des Informationskapitalismus

Ich möchte einleitend einige Thesen vorgetragen und erläutern und erhoffe mir daran anschließend eine kontroverse und konstruktive Diskussion zu folgenden Themenbereichen:
  • der produktive, wert- und mehrwertschöpfende Charakter der Informationsarbeit
  • "Human Capital" und "Shareholder Value" im Informationskapitalismus
  • die Aneignung von Informationsrenten als Spezifikum des Informationskapitalismus
  • Entwicklungskosten und immaterielle Investitionen und ihre Wirkungen auf die Profitraten
  • Krisenhaftigkeit und historische Tendenzen des Informationskapitalismus
  • Klassen, Interessen und Linke im Informationskapitalismus
Sabine Nuss, Michael Heinrich: Warum Free Software dem Kapitalismus nicht viel anhaben kann - aber vielleicht trotzdem etwas mit Kommunismus zu tun hat

Eigentlich ist das Internet nichts als ein Medium: Träger und Übermittler von Information. Dennoch ist seine rasante Entwicklung und Verbreitung seit einigen Jahren begleitet von diversen Zuschreibungen aus allerlei politischer, soziologischer und ökonomischer Richtung. Den einen wird alles, was sich wirtschaftlich um das Internet herumrankt, also die "New Economy", zum Wachstumsmotor Nummer eins im neuen Jahrtausend, andere sehen in der Eigenart des Internets das Potential, den Kapitalismus zu überwinden. Insbesondere die Entwicklung der Freien Software, als Paradebeispiel Linux, wird als Anschauungsbeispiel dafür herangezogen, wie es in einer anderen Welt der Produktion, fern ab von kapitalistischen Verwertungszwängen, zugehen könnte. Was aber ist eigentlich kapitalistische Verwertung? Bevor man überhaupt sagen kann, was fern davon produziert wird, muss man eine Vorstellung davon haben, was darin produziert wird. Wann wird ein Produkt also Ware? Was sind die Bedingungen der Verwertung? Mit Hilfe Marxscher Kategorien wollen wir die Rolle, die freie Software im kapitalistischen Verwertungsprozeßjetzt schon hat und künftig vielleicht haben wird, untersuchen. Was manchen als größere Möglichkeit der Selbstverwirklichung erscheint wird sich dabei als intensivere Form der Ausbeutung erweisen.

Will man den Kapitalismus überwinden, dann ist auch darüber zu sprechen, um was es bei dieser Überwindung gehen soll: Lediglich um einen stärker regulierten Kapitalismus mit einem umfangreichen Sozialstaat oder um eine Gesellschaft jenseits von Tausch, Geld und institutionalisiertem Gewaltmonopol? Zielt man letzteres an - nennen wir es ruhig bei seinem traditionellen Namen: Kommunismus - dann wird es nicht ausreichen, dass lediglich einzelne Gebrauchswerte ihre gesellschaftliche Form verändern (also aus privateigentümlicher Software freie Software wird), dann kommt es darauf an, den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang zu verändern, mit der Logik der Verwertung zu brechen, statt sie nur hier und da zu unterlaufen.

Gegen die Vorstellung einer kommunistischen Gesellschaft wird üblicherweise der Einwand erhoben, wie denn überhaupt die nötigen Koordinationsleistungen erbracht werden sollen, wenn Markt und politische Herrschaft als Steuerungsmedien entfallen. Hier mag vielleicht der kollektive Produktionsprozeß von Linux ein Hinweis darauf sein, dass es solche Möglichkeiten sehr wohl gibt, nur ist dies nicht zu verwechseln mit einer bereits im Kapitalismus existierenden Keimzelle einer kommunistischen Gesellschaft.

Hans-Gert Gräbe: Zur Zukunft der Arbeit in einer modernen Gesellschaft

'Oekonux' und 'New Economy' sind sich einig: Information und Wissen und damit die Kompetenz der Individuen werden in der Gesellschaft von morgen eine zentrale Rolle spielen. Damit hören die Gemeinsamkeiten allerdings schon auf. Die Konsequenzen der 'New Economy' bedeuten, auch Information, Wissen und Kompetenz marktgängig zu machen und damit in kapitalistische Verwertungszusammenhänge einzubinden. Dabei wird wenig Rücksicht genommen auf Traditionen im Umgang mit Wissen, das jahrtausendelang als freizügig zugängliches gesellschaftliches Gemeingut galt. Diese "Wissensallmende" (Grassmuck) soll in einem Aktursprünglicher Akkumulation parzelliert und damit Gemeineigentum an Wissen durch Privateigentum abgelöst werden, um in Zukunft nicht nur fremde Arbeit, sondern auch fremde Gedanken ausbeuten und die entsprechenden 'Informationsrenten' einstreichen zu können.

Ein solcher Versuch ignoriert den Umstand, dass (nicht triviale) Information Voraussetzung, nicht Gegenstand produktiver, also marktgängiger Arbeit ist und eigentlich zu einer Sphäre gehört, in die marktwirtschaftliche Austauschprozesse eingebettet sind. Mit dem zunehmenden Focus auf solche Kompetenz wird der kausale Rahmen der Waren produzierenden Gesellschaft verlassen, indem stattProduktion und Verkauf nunmehr die Bedingungen für Produktion und Verkauf, kurz, die Infrastruktur der materiellen Produktion, die "allgemeine Arbeit", ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken, eine Arbeitsform, deren Ergebnis alle nutzen, deren Verrichtung aber (aus marktwirtschaftlicher Logik heraus) keiner bezahlen will.

Parallel zur wachsenden Bedeutung dieser Bereiche wächst auch der Druck, sie vordergründig marktwirtschaftlich zu organisieren und damit einem kurzfristig denkenden Kalkül der lokalen Profitmaximierung zu unterwerfen. Die Unangemessenheit solcher Regulationsmechanismen für die globalen, erst in kooperativen Synergien zu Tage tretenden Effekte einer solchen Infrastruktur vertieft die "Tragödie der Allgemeingüter" (G. Hardin) und trocknet das Substrat derselben weiter aus. Die Ironie des Schicksals will es, dass Wissenschaft und Bildung - die zentralen Themen einer Kompetenzgesellschaft - davon besonders betroffen sind.

Literatur:

http://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe/projekte/infopapers/arbeit1.html
 
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