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4. Mai 2001
 

Die Vergesellschaftung der Schaltpläne

Oekonux-Konferenz in Dortmund

«Oekonux» ist der seltsame Name für den Versuch, aus der Geschichte von Linux Lehren für die Zukunft der Ökonomie zu finden. Rund 150 Menschen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz trafen sich am vergangenen Wochenende in Dortmund zur ersten Oekonux-Konferenz unter dem Titel: «Die freie Gesellschaft erfinden- von der freien Software zur freien Welt.»

«Oekonux», die Ökonomie nach Linux, ist ein bizarres Wort; «Kapidows» wäre vielleicht das Gegenstück, ein Kapitalismus, der nach den Prinzipien von Microsoft Windows funktioniert. DieOekonux-Bewegung entstand mit einer Mailing-Liste, die nach dem ersten Kongress «Wizard of OS» in Berlin 1999 ins Leben gerufen wurde. Der Berliner Kongress behandelte die Wirkungen, die von der Produktion «freier» Software auf Wissenschaft und Kultur zurückstrahlen, vernachlässigteaber die Ökonomie. Die erste Oekonux-Konferenz[1] in Dortmund bildete dazu die Antithese:Kunst und Kultur waren hier in bester marxistischer Tradition Phänomene des Überbaus, derÖkonomie wurde Priorität eingeräumt.

Getragen wurde die Konferenz von der der PDS nahe stehende Rosa-Luxemburg-Stiftung und dem Mobilen Einsatzkommando Software aus Dortmund. Entsprechend bunt gemischt war auch das Publikum: Die Spannbreite reichte vom ehemaligen LPG-Leiter mit DDR-Sozialisation, der hoffte, dass Software-Entwickler zu der Klasse werden, die den Kapitalisten das Fürchten lehrt, bis zum Linux-Fundi, der alle politischen Institutionen durch offene User Groups und Mailinglisten ersetzt wissen wollte. Alle hielten tapferdurch bei einem Programm, das insgesamt 30 Referate und Workshops von vier Stunden Dauer in drei parallelen Strängen präsentierte, souverän jede Zeitökonomie ignorierend. Vorträge zur Produktivkraftentwicklung im Stil eines Schulungsseminars fehlten ebenso wenig wie Überlegungen,Prinzipien der Entwicklung freier Software auf den Automobilbau[2] zu übertragen. Zur Debatte stand in bester Ingenieurstradition die Vergesellschaftung aller Schaltpläne.

Oekonux ist der Versuch, aus der «freien» Software-Entwicklung, deren Produkte auf der Basisder GNU Public Licence stets auch im Quellcode und unentgeltlich angeboten werden, die Theorie einer zukünftigen «freien» Gesellschaft abzuleiten. Wenn man die GNU Public Licence (GPL)als Enteignung von Produktionsmitteln begreift, ergeben sich rasch Verbindungen zu Denkansätzen aus der sozialistischen Ecke. Umgekehrt istdie Annäherung schwieriger. Welche politischen Überlegungen die Programmierer «freier» Software motivieren, ist schwer auszumachen. Oftscheinen sie völlig zu fehlen, wo man sie findet, sind sie oft nicht sehr systematisch. Selbst Richard Stallmann, der Vater der GPL und des GNU-Betriebssystems, der sich immer wieder auch in gesellschaftskritischer Absicht zu Wort meldet (NZZvom 12. 4. 01), scheint kein politisches Weltbild zu haben, das sich stets mit linken Positionen deckt. Am Anfang der von Stallman gegründeten Free Software Foundation, die seit kurzem auch in Europa eine Sektion[3] unterhält, stand nicht die Absicht, politische Systeme umzukrempeln, sondern der misslungene Versuch, einen fehlerhaftenDruckertreiber zu verbessern, um sich vergebliche Wanderungen in den Druckerraum zu ersparen.

Die Kollision der Parallel-Universen war spannend zu beobachten. Nur selten führten die unterschiedlichen Standpunkte zu Anpöbeleien: DieTeilnehmer der Dortmunder Konferenz zeigten sich sichtlich bemüht, den Code der anderen Seite zu verstehen. Ausnahmen gab es auch: «In so einer Gesellschaft möchte ich nicht leben», donnerte ein Vertreter der Luxemburgianer, als sichThomas Uwe Grüttmüller an einer «Theorie des Übergangs in die GPL-Wirtschaft» versuchte. Stein des Anstosses war die Überlegung Grüttmüllers, dass alle repetitiven, algorithmischenTätigkeiten zu automatisieren seien, auf dass der Mensch Zeit zum schöpferischen Arbeiten (Programmieren inkl.) habe.

Für die Menschen, die bei dieser Rationalisierungswelle frei gesetzt werden und nicht vomSinn der Mitarbeit in User Groups überzeugt werden können, entwickelte Grüttmüller eine Alimentation in Form eines «Bürgergelds», das vonden Arbeitenden abgeschöpft wird. Diese Umverteilung ist nach Grüttmüller notwendig, um derGefahr eines Maschinensturmes durch die Freigesetzten zu entgehen - eine Vorstellung, die demmarxistischen Lager allzu abenteuerlich erschien. Angesichts der sattelfesten Erklärungsmuster marxistischer Provenienz hatten es die Vertreter der Oekonuxe nicht leicht, ihre oft noch rudimentären Gedanken zur gesellschaftlichen Transformation zu entwickeln.

Der Informatiker Werner Winzerling versuchte sich an einer ökonomischen Erklärung des Linux-Booms: Er charakterisierte die Struktur der Computerindustrie als eine komplizierte Verschachtelung vertikaler Monopole, in denen Monopolisten jeweils durch potenzielle Wettbewerber ausbenachbarten Marktsegmenten in Schach gehalten werden. Dieses Modell sei in den neunzigerJahren gestört worden, als IBM (mit OS/2) und Novell (mit Netware) bei der Eingrenzung von Microsoft versagten. Die so entstehende Lücke sei dann in aller Eile von Linux aufgefüllt worden. Was die Entwicklung leistungsfähiger mo-derner Software anbelangt, so wird sie nach Winzerling in konzentrierter Teamarbeit gemeinsaman einem Ort erledigt werden und nicht nebenbei und schon gar nicht verstreut. Beispiele für diesen Trend gibt es auch bei Linux-Software, wenn etwa die Chef-Entwickler der KDE-Oberfläche das ganze Team in einem Hotel im Sauerland kasernieren.

Die erste Oekonux-Konferenz machte deutlich, dass weiterhin grosser Diskussionsbedarf besteht. Sind Programmierer «freier» Software einfache Handwerker oder hoch qualifizierte Spezialisten, die das Zeug haben, eine Gesellschaft zu erschüttern? Ist die GPL schon der Kern einer neuenEigentumsordnung oder nur eine willkommene Beigabe der zunehmenden Computerisierung? Ist das Programmieren «freier» Software Selbstentfaltung oder nur fortgeschrittene Selbstausbeutung? Auf eine Fortsetzung der Debatten auf ihrerMailingliste freuten sich alle Beteiligten schon vor der Abreise.

Detlef Borchers

[1] www.oekonux.de; www.oekonux-konferenz.de

[2] www.theoscarproject.de

[3] www.fsfeurope.org

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