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BerlinOnline


Datum:   02.05.2001
Ressort:   Medien
Autor:   Stephan Kaufmann

GPL - Ganz Prima Leben

Die Hightech-Rebellen hoffen auf den Übergang von der Freien Software zur Freien Welt

Ausgerechnet aus dem Schoß der New Economy kriecht die Revolution. Und die heißt: Free Software. Während sich Freunde freier Software noch über die wachsende Verbreitung ihres Betriebssystems Linux freuen, ist der radikalere Flügel der Bewegung schon weiter: Das "Gnu/Linux-Prinzip" unterlaufe die ehernen Gesetze von Privateigentum und Kapitalismus. Gnu/Linux sei die Keimform einer neuen Gesellschaft, ein Meilenstein auf dem Weg zu einer neuen Wirtschaftsweise. "Von der Freien Software zur Freien Welt?", diese Frage diskutierten am Wochenende die 150 Teilnehmer der Oekonux-Konferenz in Dortmund.

Das Prinzip Linux

Oekonux - das ist Ökonomie + Linux. Linux ist das Vorzeigeobjekt der Freien Software Bewegung. Entwickelt wurde es dezentral von hunderten von Programmierern auf der ganzen Welt in ihrer Freizeit, um der Übermacht von Microsoft Windows ein freies Betriebssystem entgegenzustellen. Linux ist geschützt durch die General Public License (GPL), die es dritten verbietet, das System unter Verschluss zu nehmen. Quellcode und Erweiterungen müssen laut GPL für jeden zugänglich sein. Das wiederum macht GPL-Produkte als Quelle von Unternehmens-Gewinn fast untauglich. Denn Gewinn kann man nur mit etwas machen, was andere nicht kostenlos bekommen können, was also nicht im Überfluss vorhanden ist.

Die GPL-Idee breitet sich aus: Unter der Open Content License entsteht im Internet die Encyclopaedia aperta, eine offene Enzyklopädie, an der jeder mitarbeiten kann und die für jeden frei zugänglich ist. Mit der Open Audio License stellen Musiker ihre Werke der Welt zur Verfügung. Mittlerweile gibt es auch die Free-Hardware-Bewegung, und das "OsCAR-Projekt" entwickelt sogar ein Auto im Internet. "Damit unterlaufen wir das herrschende System der Verwertung", meint Stefan Meretz von Oekonux. Dabei sei die Freie-Software-Bewegung keineswegs ein gigantischer Hobbyklub. Im Gegensatz zu Hobby-Erzeugnissen träten ihre Produkte auf dem Weltmarkt in Konkurrenz mit Waren, die zu Profitzwecken erstellt wurden. Breite sich das Linux-Prinzip aus, so könne Stück für Stück das gesamte System von Privateigentum und Profit unterminiert werden, bis schließlich die "GPL-Gesellschaft" entsteht. Der PC wird quasi zur "Dampfmaschine einer klassenlosen Gesellschaft". Dass Linux-Versionen von Firmen wie SuSE oder RedHat derzeit gegen Geld verkauft werden, sei kein Widerspruch gegen das Prinzip. Auf der GPL könne keine profitorientierte Wirtschaftsweise aufgebaut werden. Denn die "Lizenz zum Öffnen" verhindere, dass die Programme re-privatisiert werden können. Und ohne Privateigentum kein Profit.

"Die Existenz freier Software widerlegt eine Grundannahme dieses Wirtschaftssystems: Dass Menschen nur unter Zwang arbeiten", meint der Informatiker Stefan Merten. "Die Prinzipien von Gnu/Linux öffnen uns das Tor zu einer neuen Welt." Und die sieht so aus: Freie Produkte entstehen auf freiwilliger Basis, "Lustprinzip statt Schuften". Unangenehme Arbeiten werden so weit es geht automatisiert. Arbeitslosigkeit schafft Zeit zur Muße und wird damit zum Segen, "nicht zum Fluch wie im Kapitalismus", so Merten. Weil die Produzenten über die Produktionsmittel verfügen - derzeit ist es nur der Computer - gewinnen sie Macht über ihr eigenes Tun. Einziges Motiv für die Herstellung eines Gutes ist seine Nützlichkeit, Zweck der Produktion sei die Bedürfnisbefriedigung. Tausch gegen Geld findet nicht statt. "Damit können auch arme Menschen ihre Wünsche befriedigen", sagt Merten. Statt über den Markt werden Produktion und Konsumtion über Internet koordiniert. Kooperation ersetzt den "permanenten Konfliktherd Konkurrenz", der "Software-Darwinismus" sorgt schon heute dafür, dass schlechte Produkte durch bessere ersetzt werden.

Nun ja, dachte sich mancher der Konferenzteilnehmer. Denn den Träumen von der GPL-Welt sind enge Grenzen gesetzt. Schließlich ist das Prinzip der dezentralen, vernetzten und freiwilligen Produktion nicht ohne weiteres auf den "Rest" der Ökonomie übertragbar. Denn Software hat als Produkt einige Besonderheiten: Einmal hergestellt ist sie ohne Verschleiß und ohne zusätzliche Arbeit kopierbar. Nach der Entwicklung sind Produktion und Distribution kostenlos, und die Entwicklungsinstrumente sind für viele zugänglich - Computer und Internet kosten nicht viel. Das schafft einen potenziellen Überfluss, der aktuell der Software- oder Musikindustrie Probleme macht und den sie durch Patent- und Copyright-Gesetze wieder zu beschränken sucht. Vergeblich, wie Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club meint: "Die Zeit des Kopierschutzes ist vorüber, die Verhinderungsoption ist ausgelaufen."

Die Gesetze der Hardware

Dennoch, "Hardware"-Produkte vom Computergehäuse bis zu Brot oder Autos unterliegen nicht diesen Besonderheiten, ihnen fehlt der "Multiduplikator". Zudem sind nach Meinung von Werner Winzerling dem Produktionsprinzip freier Software enge Grenzen gesetzt: "Anspruchsvolle Technik kann nicht in freiwilliger Internet-Telearbeit entwickelt werden", meint der Informatik-Professor aus Fulda. Das ginge höchstens bei einem Produkt wie Linux, das nur eine mäßig innovative Weiterentwicklung des Betriebssystems Unix sei. Zudem wandle sich das Software-Engineering schrittweise vom Handwerk zur industriellen Arbeitsweise. "Künftig wird Software nicht mehr ohne sehr teure Entwicklungs-Tools entwickelt - und die kann sich dann kaum ein Privatmann leisten."

Merten sieht die Sache nicht so schwarz: "Die letzte Schlacht in dieser Sache ist noch nicht geschlagen", meint er. "Wir haben eine gute Chance. Wir sollten sie nutzen."

Abstracts der Oekonux-Konferenz und Freie-Software-Projekte unter:

www.oekonux.de

www.theoscarproject.de

www.aperta.de.vu

Ausschluss verboten // Freie Software ist weder Shareware noch Raubkopie. Sie gibt jedem das Recht der Benutzung, räumt das Recht ein, die Quellen des Programms zu studieren und Anpassungen vorzunehmen.

Die GPL (General Public License) erlaubt, was andere Lizenzen verbieten: Das Kopieren und Weitergeben der Software, das Studium der Quellen, die Veränderung und die Weitergabe der veränderten Versionen. GPL verbietet die Reprivatisierung von Software. Wird GPL-Software weitergegeben, dann müssen den Empfängern die Quellen verfügbar gemacht werden. Die Freiheit des GPL-Produkts vererbt sich also auf Folgeprodukte.

Ist Reprivatisierung erlaubt, spricht man von Open-Source-Software. Hier ist man zur Offenlegung der Quellen nicht verpflichtet.

DPA/BERND WEISSBROD Harmlos oder revolutionär? Bundeskanzler Gerhard Schröder mit dem Linux-Pinguin.

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